Aufbruchstimmung trifft auf Nostalgie

Aufbruchstimmung trifft auf Nostalgie: So lässt sich die erste Prunksitzung der Baumholderer Karnevalsgesellschaft (BKG) ohne Frank Meschenmoser an vorderster Front beschreiben. Nach seinem tränenreichen Abschied im vergangenen Jahr, stand nun erstmals ein Sitzungspräsidenten-Duo auf der Bühne. Maren Meschenmoser und Yannick Simon ließen aber keinen Zweifel daran, dass Meschenmoser Senior ihr Vorbild und Mentor ist. Schließlich habe er in 33 Jahren als Sitzungspräsident der BKG seinen Stempel aufgedrückt. Und obwohl er eigentlich nur noch seinen Platz im Elferrat einnehmen wollte, stand er immer wieder im Mittelpunkt – nicht nur bei der Ehrung für ihn und den ehemaligen Vorsitzenden von Seiten der Interessengemeinschaft Mittelrheinischer Karneval. So hatte er gar das letzte Wort nach der fünfeinhalbstündigen Sitzung vor ausverkauftem Haus. Er konnte es doch nicht so ganz lassen und erzählte einen Witz zum Abschluss. Dabei hatte sich so mancher im Publikum schon gefragt, ob seine legendären letzten Worte einer jeden Sitzung auch unter der neuen Federführung noch für Tränen sorgen würden. „Wir wollen an Traditionen festhalten“, betonte Maren Meschenmoser und begann die bekannte Abschlussrede: „Wieder einmal geh’n die Lichter nach ner langen Sitzung aus….“. Vollenden durfte diese Worte allerdings ihr Papa. „Ich habe mich immer gefragt, warum an dieser Stelle geweint wird, jetzt weiß ich es“, sagte Yannick Simon mit Tränen in den Augen.

Taschentücher hatte vorsorglich auch Tina Hauch dabei. Diese drückte sie Frank Meschenmoser in die Hand, als dieser auf einem Hocker im Publikum Platz nehmen sollte. Denn so konnte er auf der Leinwand besser die Dia-Show, die seine BKG-Karriere aufzeigte, verfolgen. Dazu präsentierten die von Hauch dirigierten Westrich-Sänger zur Melodie von Mark Forsters „Chöre“ eine musikalische Hommage an Meschenmoser – und das Publikum sang mit.  Zuvor hatten die Westrich-Sänger gewohnt stark das Stadtgeschehen musikalisch beleuchtet. Beispielsweise zur Melodie von „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ die Tatsache, dass Chinesen die Realschule und das Hotel Ulrich gekauft haben: „Die Schul‘ ist nun chinesisch, und es tut sich nix.“ Auch die Schmierereien an Hauswänden in Baumholder sind für die Westrich-Sänger unverständlich. Thomas Flohr: „Wenn es deren Ziel ist, dass die Westrich-Sänger mal ein Lied über sie machen, dann haben sie es geschafft.“ Der Wolfgang-Petry-Klassiker „Ruhrgebiet“ wurde kurzerhand in „Bei uns im Stadtgebiet“ umgedichtet. Da kam Stimmung auf.  Ebenfalls zum Ärzte-Song „Lass die Leute reden“. Da animierte die BKG-Sangestruppe die Politiker zur Kommunikation. Und zum Nachdenken. Beispielsweise darüber, dass die Bushaltestelle vom Marktplatz an die Feuerwehr gelegt werden soll – der Barrierefreiheit wegen. Das mache wenig Sinn, wenn die gehbehinderten Bürger dann erst einmal von der Innenstadt zur Feuerwehr gehen müssten. Als traditionelle A-Cappella-Nummer hatte die Truppe dieses Mal „Always look on the bright side of life“ ausgewählt.

Auch ein weiteres Highlight der fünfeinhalbstündigen Sitzung war musikalischer Natur. Angelehnt ans Sessionsmotto „Gangster, Gauner und Ganoven“ kündigte Simon den Auftritt so an: „Mafiosi kommen gerne in ganzen Familien daher.“ Tatsächlich bestand der Flohr-Clan aus sechs Mitgliedern – Hella, Christian und Thomas Flohr, Manuela Heidrich sowie Andrea und Fabian Hagner. Unter dem Motto „Alkohol“ hatten sie bekannte Schlager hochprozentig umgedichtet. So hieß es dann unter anderem „Himbeergeist zum Frühstück“, „Eine neue Leber ist wie ein neues Leben“ oder „Immer wieder sonntags fehlt die Erinnerung.“ Und: „Warum seid Ihr Schlümpfe blau? Wir saufen halt, Du dumme Sau.“ „Da wird man fast vom Zuhören besoffen“, sagte Simon, bevor er die geforderte Zugabe zuließ.

Mit Musik ging auch die Sitzung los. Denn wie es die Tradition vorsieht, eröffneten die Fanfarenbläser Tim Lorscheider, Peter Glück, Erhard Becker und Desirée Rausch den Reigen, bevor der BKG-Vorsitzende Dirk Kaps den 320 Besuchern – am Sonntag kamen wieder so viele meist verkleidete Narren - eine „fulminante Fastnachtsshow“ versprach. Damit sollte er richtig liegen. Einen großen Anteil an der hohen Qualität hatten wieder einmal die Tanzgruppen. Angefangen von den Zappelinos, die nach ihrer Premiere im vergangenen Jahr zum zweiten Mal die Sitzungen bereicherten. Dieses Mal entführten sie in die „Welt der Dinosaurier“. Und Maren Meschenmoser lobte diesen „dinotastischen Auftritt“.  Ebenfalls noch nicht so lange dabei sind die drei Tanzmariechen Viktoria Bozhilova, Johanna Kaps und Malin Scherne, die zu „Footloose“ und „I wanna dance with somebody“ einen akrobatischen und temporeichen Tanz aufs Parkett legten. Da staunte selbst Maren Meschenmoser: „Ein Gardemarsch auf 80er-Jahre-Musik, das ist mal was ganz anderes und zeigt, dass es sich lohnt, Neues auszuprobieren.“

Ebenfalls in die 80er-Jahre ging es mit der Minigarde und deren Showtanz zu Michael Jacksons „Beat it“ und Falcos „Der Kommissar“. Samt Hüten und Glitzerhandschuhen. Hier stimmte nicht nur die Choreografie, sondern auch die Kostüme waren perfekt. Gleiches gilt für die Wonneproppen, die passend zum Motto als kleine Sträflinge die Bühne eroberten. Nicht umsonst forderte das Publikum lautstark eine Zugabe.

Jeweils einen sehr synchronen Gardemarsch präsentierten die Jugend- und die Prinzengarde dem staunenden Publikum. Wobei die Prinzengarde traditionell gegen Ende der Sitzung noch einen fantasievollen Showtanz präsentiert. Dieses Mal ebenfalls perfekt mottobezogen als Panzerknacker.  Zum Motto passte auch die Batman-Geschichte, die das Männerballett erzählte – neben der obligatorischen Hitparade. Dabei fiel besonders das perfekt geschminkte Gesicht des Jokers auf.  Aber auch die Disziplin und Choreografie der Truppe, was mit Männerballett im herkömmlichen Sinne nicht mehr viel zu tun habe, wie es der Sitzungspräsident betont: „Das ist Ausdruckstanz in Reinkultur“.

Tanz, verbunden erstmals mit einem Sketch, boten auch die Damen ohne Namen, die ein närrisches Jubiläum zu feiern haben: Seit elf Jahren existiert die Gruppe, die für ihre besonders originellen Auftritte bekannt ist. Dieses Mal wurden sie verstärkt von Sabina Kaps und Fabian Hagner, die zum ersten Mal als Büttenredner die BKG-Bühne betraten. Und ihre Sache richtig gut machten.  Als nicht ganz so erfahrene Einbrecher benötigten sie doch Schützenhilfe von Manuela Heidrich, die ihren Mann Herbert am Bank-Schalter vertrat. Es folgte ein wieder einmal witziger und trainingsintensiver Tanz in blauen und roten Ganzkörpersäcken. Wie in jedem Jahr.

Dieter Bergisch bei der BKG Prunksitzung 2020
Dieter Bergisch

Zum ersten Mal seit vielen Jahren war hingegen wieder Dieter Bergisch in der Bütt. Er sah „Inspector Clouseau“ schon zum Verwechseln ähnlich – und nahm das Weltgeschehen aufs Korn. Brexit, Trump, die Bundeswehr oder die Bonpflicht machte er genauso zum Thema wie Meghan und Harry oder den Berliner Flughafen. Dabei musste das Publikum mitmachen und so manchen Satz beenden. Die passenden Schilder dazu hielt Bernd Mai mit einem „unbezahlbar dümmlichen Gesichtsausdruck“, wie die Nahe-Zeitung schrieb, in die Höhe.

Auch Dieter Heinz schaute der Politik auf die Finger. Allerdings der in Baumholder. Schließlich ist er die Lokalkanone. Die Aufstiegsspiele des VfR Baumholder oder der Weihnachtsmarkt waren seine Themen. Oder auch die Nacht im Museum, als die Popcorn-Maschine direkt unter dem Rauchmelder stand und damit die Feuerwehr auf den Plan rief. Dazu Heinz: „Der weitere Abend ist dann problemlos verlaaf, nur Popcorn han mir keins mehr verkaaft.“

Luca Löwe, ebenfalls zum zweiten Mal in der BKG-Bütt, erzählte auf unterhaltsame Weise, warum er gar nicht begeistert war, vom Kaff (Berglangenbach) in die Großstadt (Baumholder) zu ziehen. Von noch weiter her kam Yannick Simon als „Mafiosi im Flecke“. Stilgerecht mit  Zigarre und Sonnenbrille sowie zur „Pate“-Einmarschmusik präsentierte er mit typisch italienischem Akzent eine durchdachte Rede. Eigentlich war „Don Simon“ nur nach Baumholder gekommen, um die gestohlene Eismaschine zurück zu bekommen. Auch das passte: Anna Panciera, Tochter des Eisdielen-Besitzers, kam mit einem Eisbecher auf die Bühne. Den Triathlon – dieses Mal ohne Blaualgen -, die Bürgermeister-Wahl und das deutsch-amerikanische Fest („bitte Bier im Glas und nicht in Plastikbechern“) beäugte der Mafiosi. Und hatte einen Tipp, damit Baumholder wirklich „Energiestadt 2020“ wird: Die Politiker sollten weniger „heiße Luft“ produzieren, das Spare CO2. Da hatte er auch einen Seitenhieb für Greta Thunberg parat: „Liebe Greta, die Aktion ist cool; aber jetzt ist gut; Freitag is Schul`.“

An Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die im Saarland stets als Putzfrau in der Bütt stand, erinnerte in diesem Jahr Gisela Möller. Auch sie kam mit Eimer und Wisch-Utensilien durch den Saal und wollte die Besucher nach Hause schicken, damit sie sauber machen kann.

An ihren saarländischen Wohnort erinnerte auch immer wieder das Prinzenpaar, Prinz Stefan II. und Prinzessin Astrid I. So erzählte die Prinzessin von der neuen Leidenschaft ihres Verlobten, dem Tauchen. Aber seitdem sie ihm von dem im Baumholder Weiher versunkenen Goldklumpen erzählt habe, stehe der Bostalsee nicht mehr an erster Stelle: "Seit ich em Stefan verzählt han die Geschicht, wird aufs Tauche im Saarland öfter verzicht. So sieht man es Auto alsmo auf dem Weiherplatz, und der Prinz taucht jetzt nach dem Baamholler Schatz.

Zum Schluss gab es ein imposantes Bild auf der Bühne. Alle Akteure versammelten sich in ihren farbenfrohen Kostümen und sangen gemeinsam die Vereinshymne „Schönes Baumholder“. Maren Meschenmoser spricht von 250 Helfern vor, auf und hinter der Bühne. Und dann gehen wieder einmal die Lichter nach `ner langen Sitzung aus…. ….. und die Musik von Take two an.

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